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Ursachen des Aufstiegs rechter Parteien und anderer Radikalismen

Die Expansion der entgrenzten Toleranz liberaler Gesellschaften ist eine der Hauptursachen für den Vormarsch rechter Parteien und anderer Radikalismen.


Etablierte Mitte-links-Parteien werfen aufstrebenden rechten Parteien Rechtsextremismus und Demokratiefeindlichkeit vor. Rechte Parteien wiederum kritisieren die dominierenden Mitte-links-Parteien dafür, zu viel Zuwanderer ins Land gelassen und diese unzureichend integriert zu haben.
Ein Körnchen Wahrheit lässt sich auf beiden Seiten erkennen, doch was verbirgt sich hinter den Vorwürfen?

In allen Ländern der Erde besteht ein unübersehbares politisches Interesse an wirtschaftlicher Expansion. Alle – gleich ob linke oder rechte Parteien – sind sich in einer Frage erstaunlich einig: Die Welt kann am ehesten durch Wirtschaftswachstum und Konsum gerettet werden. Etwas anderes als „Wir müssen wettbewerbsfähiger werden“ ist kaum irgendwo zu hören.

Es handelt sich um eine weltumspannende Denkweise, der alles untergeordnet wird – das Bildungssystem ebenso wie die Zuwanderungspolitik. Um das System und den Wohlstand zu erhalten, brauche es Zuwanderung und leistungsfähige Bildung – so lautet die offizielle, täglich wiederholte Kernbotschaft unserer Zeit. Auch in Österreich.

Diese auf Konkurrenz setzende Entwicklung, die nach dem Zusammenbruch des Ostblocks (1989) nochmals beschleunigt wurde, ist nicht neu. Neu jedoch ist die dichte Vernetzung, die durch die globale Wirtschaft und das Internet zwischen Staaten und Menschen entstanden ist. Wir sind Zeugen einer nie dagewesenen Vielfalt an kultureller und sozialer Diversität. Gleichzeitig nehmen Kriege und Radikalisierungen zu, der Weltfrieden ist sichtlich in Gefahr. Warum eigentlich?

Weil die zunehmende globale Vernetzung bei bestem Willen kein Resonanzraum ist, kein „Happy Place“. Um das zu sein, bräuchte es intakte zwischenmenschliche und zwischenstaatliche Beziehungen, die wir derzeit nicht haben und nicht leben. Im Moment wäre es bereits ein Fortschritt, sich um eine friedliche Koexistenz verfeindeter Staaten zu bemühen und die Naturbeherrschung als Grundlage unseres Lebens zu überdenken. Es bräuchte, um den Weltfrieden wiederherzustellen, also neue Ansätze.

In autokratischen und illiberalen politischen Systemen sind diese Ziele gewiss schwer zu erreichen. Doch selbst liberale Demokratien tun sich mit dem Umweltschutz schwer, und auch die Frage der Toleranz (Wer darf was? Wer akzeptiert was?) ist nicht restlos geklärt.

Die kulturelle Vielfalt stellt eine Herausforderung dar, wie mit ihr umzugehen sei, findet keine befriedigende Antwort. Die etablierten Parteien verteidigen seit vielen Jahren ihre multikulturell geprägte Toleranzhaltung – eine Position, die heute oft als „Wokeness“ bezeichnet wird und, wie Christian Tesch in seinem Artikel Die Abwahl der Wokeness treffend beschreibt, in Deutschland jüngst abgewählt wurde.

Auf der anderen Seite steht eine streng autoritäre, im Zeichen der „Leitkultur“ stehende Toleranzhaltung. „America first“ liefert dazu die Metaerzählung. Rechte Parteien und deren Anhänger fordern nicht nur, aber vor allem von Zugewanderten eine vollständige kulturelle Anpassung – sehr ähnlich wie in autoritären und illiberalen Systemen.

Im deutschsprachigen Raum hat die (rechte) an der Leitkultur orientierte Toleranzhaltung, jenes „Wir zuerst“ keine dominante Position – weder in der Bevölkerung noch in der Politik. Der politische Diskurs in Österreich und Deutschland wird derzeit von einer multikulturellen, großzügigen und humanistischen Toleranzhaltung bestimmt. Doch diese humanistische Haltung, die sich im Rahmen der „Erinnerungskultur“ herausgebildet hat, stößt zunehmend auf Widerstand – sowohl in der Politik als auch in der Bevölkerung.

Dieser Widerstand ist im östlichen Teil Deutschlands – wegen der historisch bedingten Abwesenheit der „Erinnerungskultur“, des „Nie wieder“ – deutlich stärker ausgeprägt als im westlichen – Ostdeutschland „tickt“ weiterhin fremdenfeindlicher, ähnlich wie andere ehemalige Ostblockländer sowie einige autokratische und illiberale Staaten und deren (ausgewanderte oder daheimgebliebene) Bevölkerung.

Der wachsende Widerstand gegen die Willkommenskultur führt zunehmend zur Bildung von Gruppen und Bewegungen, die nicht mehr bereit sind, als ungerecht empfundene Entwicklungen respektvoll und argumentativ zurückzuweisen. Stattdessen nehmen Überreaktionen und Gewalttaten zu – und zwar in alle Richtungen, unter anderem gegen Personen oder Gruppen, die den Multikulturalismus vertreten. Die Etablierung und Instrumentalisierung solcher „häretischer“ Positionen sind zentrale Anliegen rechter politischer Kräfte weltweit.

Man kann sich noch so sehr für Vielfalt aussprechen – das allein reicht nicht aus. Vielfalt und Diversität brauchen verbindende Werte und eine nachhaltige Form der Toleranz. 

Moderne, nachhaltige Toleranz hat weder mit bloßem Dulden noch mit uneingeschränkter Wertschätzung zu tun. Sie bedeutet entweder eine auf stichhaltigen Argumenten basierende Akzeptanz oder eine respektvolle, gut begründete Zurückweisung von als störend oder ungerecht empfundenen Handlungen. Nachhaltige Toleranz liefert also gut begründete Argumente für die jeweilige Position.

Weder der rechte Leitkulturansatz noch die linke Wertschätzung werden dieser Anforderung gerecht. Um die Radikalisierungsspirale und den Vormarsch rechter Parteien zu stoppen, müsste dringend eine differenzierte Haltung zwischen rigoroser Leitkulturmentalität und unreflektierter Willkommenskultur gefunden werden – ein „Toleranzkompass“, der sachlich anzeigt, welche Verhaltensweisen demokratisch und welche menschenverachtend sind.

Die Entscheidung darüber, welche Verhaltensweisen akzeptabel sind, sollte auf Grundlage der Vernunft sowie der Grund- und Menschenrechte getroffen und sorgfältig abgewogen werden: Die Argumente für eine bestimmte Haltung – etwa ob Deutschkenntnisse für alle verpflichtend sein sollten – kämen beispielsweise in die Waagschale der „Akzeptanz“, die Gegenargumente in die Waagschale der „Ablehnung“.

Ideologische Ansätze sollten bei solchen Überlegungen keine Rolle spielen. Besonders schwierig sind dabei kulturelle, religiöse und ethnische Identitätsfragen – gerade in Deutschland und Österreich. Das deshalb, weil es seit dem Zweiten Weltkrieg in beiden Ländern ein Tabu ist, andere Kulturen zum Gegenstand der Analyse zu machen, geschweige denn über andere „Identitäten“ kritisch zu reden.

Diese Haltung ist mittlerweile dermaßen verbreitet, dass es beinahe unmöglich ist zu übersehen, dass wir es hier mit einer Art „gebrochenem Habitus“ zu tun haben. Das heißt, mit einer sukzessiven Wandlung des österreichischen und deutschen Charakters nach dem Zweiten Weltkrieg von Selbstverherrlichung und Expansionsdrang hin zu beispielsloser Selbstkritik und Menschenliebe. Das ist sehr viel wert. In Migrationsfragen jedoch ist diese Haltung einseitig, man möchte fast sagen, blauäugig. Es gilt nun, auf der Basis von Argumenten zu verhandeln und nicht auf jener von Befindlichkeiten.

Ob und inwiefern die neuen Regierungen in Österreich und Deutschland es schaffen, hier eine neue Balance zu finden, wird sich zeigen.

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