Ausgangslage
Das aktuelle Projekt geht von der folgenden Problemstellung aus: Viele Kinder, Jugendliche und zum Teil Lehrkräfte empfinden die Schule nicht als Ort, wo man gerne hingeht. Das allein ist ein grundlegendes Problem. Das aktuelle Projekt beschäftigt sich daher mit der Frage, wie eine besser gelingende Schule, eine, die Schüler*innen und Lehrpersonen stärker anzieht, erreicht werden könnte. Hierbei gehen wir von der folgenden Annahme aus:
Sowohl in der Gesellschaft als auch in der Schule lassen sich drei wichtige Beziehungsräume isolieren.
- Erstens spielt sich sowohl der Unterricht als auch der überwiegende Anteil der Arbeitszeit verschiedenster Menschen in diversen Toleranzmodi ab.
- Zweitens: Leider ist die Unterrichtstunde, die Arbeit und auch der Alltag selten eine „Oase“, ein Ort von Resonanzbeziehungen, in dem alle Menschen strahlen und viel Freude aneinander, am Lehrstoff, an der Arbeit oder am Leben insgesamt haben.
- Drittens ist weder die Unterrichtsstunde noch die Arbeit, der wir täglich nachgehen, ein Raum völliger Entfremdung, Aggressivität, Depression und Wut – beziehungsweise sollte kein solcher Raum sein. Dies kommt jedoch immer wieder vor und das ist alles andere als erfreulich.
Wenn wir die Schule oder die Gesellschaft als dreidimensionalen Einstellungsraum ins Auge fassen, so ist es unübersehbar, dass wir uns vorwiegend in einem Toleranzraum bewegen und wesentlich seltener in einem Resonanz- und Entfremdungsraum. Wünschenswert wäre es allerdings, dass sich das Spektrum der Entfremdung und der Toleranz zu Gunsten der Resonanz so rasch wie möglich minimiert. Denn letztendlich wünscht sich niemand bloß eine Toleranzbeziehung. Niemand will also bloß geduldet werden und schon gar nicht möchte jemand unter entfremdeten, aggressiven und kriegerischen Verhältnissen arbeiten und leben. Doch machen wir uns nichts vor. Bei allem Optimismus und mit bester Utopie der Welt gewappnet, wird es niemals ein gelingendes menschliches Dasein geben, welches ohne Toleranz und ohne die Fähigkeit mit Nähe und Distanz angemessen umgehen zu können, geben. Daher ist es mehr als zwingend und notwendig, dass Menschen und Gesellschaften sich bezüglich Toleranzfragen halbwegs auskennen.
Ziele
Das erste Ziel des aktuellen Forschungsprojektes ist infolgedessen, einen Toleranz- und Resonanzkompass zu erstellen, der ausschlaggebende Welt- und Schulbeziehungen der Eltern, Lehrpersonen und Schüler*innen anzeigt. Ein Instrument, das über das, was die Befragten in Bezug auf die Schule und allgemein mögen; wofür sie Feuer und Flamme sind; sowie über die Art und Weise des Umgangs damit, was sie nicht unbedingt mögen, aufschlussreiche Auskunft gibt.
Das zweite Ziel besteht in der Präsentation einer Beziehungspädagogik sowie in der Abhaltung von Diskussionen beziehungsweise Workshops für Lehrpersonen, ausgewählte Schüler*innen und Eltern zu dem Konzept. Zwei Themen stehen zur Diskussion: 1. Wie geht man als Lehrkraft mit Jugendlichen um, die besonders verhaltensauffällig sind, den Unterricht stören, Konflikte verursachen etc. (Toleranzhaltung); 2. Wie lassen sich Jugendliche für den Unterricht besser erreichen und ansprechen (Resonanzpädagogik[1])?
Da die Schule vieles bewirkt, darf sie keinesfalls ein Ort der Entfremdung und des Burnouts sein. Idealerweise sollte sie ein breiterer Resonanzraum und wenigstens ein Toleranzraum werden. Zu einem Ort, wo Bildung, Kreativität, aber auch Gerechtigkeit und Respekt im Vordergrund stehen. Faktoren, die ohne die Stärkung des Vertrauens zwischen den Lehrpersonen und Jugendlichen allerdings nicht zu erreichen sind. Denn ein vertrautes Klima trägt wesentlich zur Minderung von Angst bei und beugt Stress, etwa vor einem kritischen Feedback oder einer schlechten Benotung, vor. Mit Angst und Stress kann man jedenfalls weder lehren noch lernen, das ist ein wesentlicher Faktor der zur Diskussion stehenden Beziehungspädagogik – eine Pädagogik, die übrigens zu der in Neuseeland sehr nahesteht, auch wenn sie einen anderen Ausgangspunkt hat. Mehr dazu Verena Friederike Hasel (2019) „Der tanzende Direktor.“
[1] Vgl. H. Rosa & W. Endres (2016): Resonanzpädagogik. Wenn es im Klassenzimmer knistert. Verlagsgruppe Beltz Weinheim Basel